„Wir werden die Vermögenssteuer auf ein angemessenes Niveau heben“
UMAG: Die SPD will einen flächendeckenden, gesetzlich festgelegten Mindestlohn. Müssen wir auf schlechter bezahlte Arbeitsplätze verzichten?
Meiner Meinung nach ja. Wer einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob hat, muss von seiner Hände Arbeit leben können und nicht noch zum Amt rennen müssen, um aufzustocken, bis es für sie oder ihn und die Familie reicht. Davon bin ich fest überzeugt.
UMAG: Heute toleriert sogar die FDP tarifliche Lohnuntergrenzen. Die CDU kann sich noch weitergehende Lösungen vorstellen. Wird das Thema überhaupt noch Ihrer Partei zugerechnet?
Darum geht es nicht. Wir setzen uns schon länger für einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn ein. Die CDU/CSU redet über einen punktuellen Mogel-Mindestlohn, aber eben nicht über eine allgemeinverbindliche gesetzliche Lösung.
UMAG: Wie stehen Sie als Mittelstandspolitikerin zur Anhebung des Spitzensteuersatzes? Schließen Sie aus, dass es dadurch zu Belastungen, zumal für die Personengesellschaften, kommt?
Wirtschaftlicher Erfolg und individueller Wohlstand sind den persönlichen Leistungen von Unternehmern und Arbeitnehmern zu verdanken. Um wirtschaftsfördernde Maßnahmen wie Investitionen in Bildung und Infrastruktur finanzieren zu können, braucht es einen handlungsfähigen Staat. Die Verbindung von ökonomischer Leistung und gesichertem sozialen Fortschritt ist das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Dies gilt auch für die Gestaltung des Steuersystems. Wir wollen eine Vermögensteuer, die der besonderen Situation des Mittelstands, von Personengesellschaften und Familienunternehmen, Rechnung trägt, zukunftssichernde Eigenkapitalbildung erlaubt und die Investitionsspielräume erhält. Bei der Vermögenssteuer stellen hohe Freibeträge für Privatpersonen sicher, dass das normale Einfamilienhaus nicht betroffen sein wird. Wir wollen die Vermögensteuer auf ein angemessenes Niveau heben, um den Ländern die gebotene Steigerung Ihrer Bildungsausgaben zu ermöglichen.
UMAG: Wie sehen Sie Tendenzen in Ihrer Partei, sich von der Agenda 2010 zu distanzieren? Ist die von Rot-Grün beschlossene Liberalisierung des Arbeitsmarkts nicht unentbehrlich?
Ich halte die Agenda 2010 in der damaligen Situation im Großen und Ganzen für richtig. Die Reform war notwendig und ein mutiger Schritt. Ein Schritt übrigens, der Deutschlands neue wirtschaftliche Stärke mit begründet hat. Wir galten ja als „kranker Mann“ Europas. Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Aber Gesetze müssen immer wieder überprüft werden. Fehlentwicklungen müssen korrigiert werden. Das ist auch in einigen Punkten der Agenda 2010 so. Politik ist nichts Statisches.
UMAG: Welche Korrekturen haben Sie vor Augen?
Beispielsweise brauchen die Leih- und Zeitarbeit mehr Regeln. Hier kommt es zunehmend zur Umgehung von Tarifverträgen und zu Lohndumping. Gelten muss aber „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Insofern ist auch die Einführung eines Mindestlohns eine richtige Korrektur. Denn, nochmal: wer Vollzeit arbeitet, muss von seiner Hände Arbeit sich und seine Familie ernähren können und sollte nicht noch zum Amt gehen müssen, um seinen Lebensunterhalt darzustellen.
UMAG: Ist die SPD wirklich wirtschaftsfreundlich? Warum sollte ein Unternehmer SPD wählen?
Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftswachstum sind zwei Seiten derselben Medaille. Der soziale Frieden in Deutschland ist wesentlich für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Zugleich wäre unser soziales System ohne die Leistungskraft der Unternehmer und ihrer MitarbeiterInnen nicht zu stemmen. Dabei verlangen große Herausforderungen zeitgemäße Antworten. Dazu gehören die demografische Entwicklung, der Klimawandel, die globale Ressourcenknappheit, die steigenden Energiepreise, die andauernde Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa, der internationale Innovationsdruck, aber auch die Unterfinanzierung von wirtschaftsnaher Infrastruktur in den Bereichen Verkehr und Kommunikation, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die Ungleichheiten im Lohngefüge. Auf all diesen Feldern macht die SPD-Bundestagsfraktion Vorschläge für eine bessere Politik.
Die Fragen stellte Dr. Benjamin Teutmeyer