Eine Überraschung ist sie nicht, die Kandidatur von Thomas Bach für das höchste Amt, das der Weltsport kennt. Präsident des IOC will er nun werden. Der Mannschaftsolympiasieger im Florettfechten von 1976 hat seine Funktionärslaufbahn nahezu idealtypisch auf dieses Ziel ausgerichtet. Seit Jahren schon war mit dieser Karriereambition zu rechnen, und die Chancen stehen offenbar nicht schlecht, dass der Tauberbischofsheimer Jurist Nachfolger des blassen Belgiers Jacques Rogge wird. Dabei stellt sich die Frage, wer da eigentlich wen mit welcher Motivation und mit welcher Zielsetzung wählt.
Das Internationale Olympische Komitee, dieser global tätige Milliardenkonzern, ist nicht erst durch die radikale Kommerzialisierung seiner Aktivitäten ins Gerede gekommen. Zu viele schillernde Personen tummeln sich in dem illustren Gremium, dito in den nationalen Strukturen, zu viele Skandale kamen ans Licht. In diesem intransparenten Geflecht werden gigantische Summen umgesetzt, und bekanntlich ist Geld auch im Sport ein Anreiz, es mit Anstand und Moral nicht zu genau zu nehmen. Seitdem die Athleten Unternehmer geworden sind, ist Doping allgegenwärtig. Vor allem aber, seitdem mit der Vergabe der „Treffen der Jugend“, wie das Mega-Marketing-Event „Olympia“ verniedlichend im Funktionärsdeutsch heißt, so viel zu verdienen ist, liegt ein Generalverdacht auf dem IOC. Man denke nur an die aberwitzige Idee, Olympische Winterspiele am Schwarzen Meer abzuhalten, eine Landschaft mit Etesienklima, also gleichmäßig warm, ohne Rücksicht auf den Raubbau an der Natur, die Menschenrechtsverletzungen im Lande und die Instrumentalisierung durch den Staatschef einer „gelenkten Demokratie“.
Haben die Mitglieder des IOC den Willen und die Kraft, einen Präsidenten zu bestimmen, der aufräumt mit diesen Exzessen? Haben sie überhaupt Interesse daran? Hätte ein oberster Vormann Bach, der lange auf den Gehaltslisten von Siemens und Holzmann stand, den Willen und die Kraft dazu? Ein Repräsentant von Konzernen wohlgemerkt, die von Infrastruktur-Großprojekten profitier(t)en? Bach wurde in seiner stets nach höchsten Weihen strebenden Laufbahn unter anderem auch von Horst Dassler gefördert, dem Spezi von Joseph Blatter und Gründer der Sportrechte-Agentur ISL, die mit dreistelligen Schmiergeldzahlungen aufgefallen ist. Man kann Thomas Bach kein Vergehen nachweisen. Aber sein Aufstieg in diesem System spricht für eine allzu große Geschmeidigkeit, um wirkliche Reformen erwarten zu dürfen.
Die Kirche, auch keine wesensdemokratische Weltorganisation, kennt – mitunter zum Leidwesen ihrer Würdenträger – immerhin eine organisierte Laienbewegung. Dem Sport wäre dasselbe zu wünschen, denn es sind die Aktiven, zumal die Millionen Amateure, die es ja bei näherer Betrachtung neben den allgemein dominierenden Profis doch noch gibt, und die wettkampfbegeisterten Fans, die in die Arenen gehen. Menschen also an die Macht, die den tradierten Idealen glaubwürdig Geltung verleihen!
Johann Oettinger M.A.