Noch ist gar nichts passiert: der Chef der US-Notenbank hat lediglich angedeutet, seine extrem expansive Geldpolitik bis 2014 zurückzufahren. Kein abruptes Ende also. Die Rede war von der Möglichkeit, noch 2013 weniger problematische Papiere zu kaufen. Dabei pumpt die FED nach wie vor jeden Monat stolze 85 Milliarden Dollar in Staats- und Hypothekenanleihen. In Anbetracht der leicht anziehenden Konjunktur in den USA kann die Absicht freilich niemanden überraschen. Im fünften Jahr der großen Krise ist die vorsichtige Thematisierung einer Anhebung des historisch niedrigen Zinssniveaus unumgänglich. Die einzige Frage, die Ben Bernanke – oder sein Nachfolger – abwägen muss, ist der Zeitpunkt für diese Kehrtwende: hört die Freigiebigkeit zu früh auf, droht der zaghafte Aufschwung im Keim zu ersticken. Kommt sie zu spät, bilden sich am Finanzmarkt neue Blasen.
Die Geldschwemme der letzten Jahre hat die globalen ökonomischen Prozesse in schwierigen Zeiten stabilisiert. Dass nun die Einschätzung folgt, die Flut sukzessive eindämmen zu können, ist als Ausdruck von Vertrauen in die Kraft amerikanischer Unternehmen zu verstehen. Nachdem die Hausse an den Börsen vor allem dem Umstand geschuldet war, dass die immense Liquidität keine anderen viel versprechenden Anlagemöglichkeiten fand, sollten nach der kurzen, schreckhaften Verschnaufpause der letzten Woche neue Kursphantasien erwachen, die nun wieder auf der avisierten Robustheit der Realwirtschaft beruhen.
Die Marschrichtung ist klar. Die Europäer werden kaum bald nachziehen können, um die Konsolidierung der unter Druck geratenen Volkswirtschaften der Eurozone nicht noch mehr zu gefährden. Aber auch hier gilt, dass die milliardenschweren Stützungsmaßnahmen durch die Zentralbank und die niedrigen Zinsen keine Ewigkeitsgarantie haben. Die Amerikaner beginnen den Rückweg in die Normalität. Für Spekulanten eine Enttäuschung. Für echte Investoren grundsätzlich eine gute Nachricht, zumindest scheint es so.
Johann Oettinger M.A.