Koalitionen sind keine Wunschgemeinschaften, sondern wahlbedingte Zweckbündnisse auf Zeit. Von solchen Gebilden störungsfreie Politik zu erwarten, wäre naiv. Da gleichwohl Einigkeit vermittelt werden muss, haben sich informelle Verfahrensmuster etabliert, die im Optimalfall dafür sorgen, dass Konflikte intern ausgekämpft, rhetorisch überdeckt oder gelöst werden. Hiernach wird eine gemeinsame Auffassung präsentiert.
Wenn also Konflikte von außen wahrzunehmen sind, greifen eingespielte Mechanismen nicht mehr. Hieraus darf abgeleitet werden, dass die Grundkonfiguration einer Koalition gestört ist. Dies gilt umso mehr, wenn die Konfliktgegenstände von eher untergeordneter Bedeutung sind.
Gehen wir von diesen Annahmen aus, steht es nicht gut um die Berliner Regierungskoalition. Sie wurde von Anfang an als konfliktreich wahrgenommen und dieser Reichtum nahm im Laufe der Zeit eher noch zu. Die Regierungsparteien waren in den letzten drei Jahren mit vielen bedeutenden, konfliktträchtigen Fragen und Entscheidungen konfrontiert – von der Banken- und Staatenrettung über den möglichen Militäreinsatz in Libyen bis hin zur Energiewende samt Atomausstieg – damit die Meinungsverschiedenheiten offen ausbrechen konnten, bedurfte es nun noch einer relativen Petitesse: des Betreuungsgeldes. Horst Seehofer, der bundespolitisch versierte CSU-Vorsitzende, knüpfte die Fortsetzung der Koalition an die Einführung der hundert Euro monatlich. Christian Lindner, der durch die NRW-Wahl gestärkte Hoffnungsträger der FDP, konterte schnell und ebenfalls öffentlich: Die FDP solle nur zustimmen, wenn das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts dadurch nicht gefährdet werde. Die Bundeskanzlerin nimmt im Stile ihres pragmatischen Momentmanagements und ihrer „fokussierten Passivität“ (Karl Rudolf Korte) derzeit davon Abstand, den Zustand der Koalition zu bewerten. Sie denkt gleichsam „von Spiel zu Spiel“, und das nächste, in das sie sich hinüber retten will, ist der Bundestagswahlkampf, in dem dann eigene (Wahlkampf-)Regeln gelten.
Die Grundspannung zwischen den Koalitionsparteien findet also auf Nebenschauplätzen statt. Zu hoffen bleibt, dass sie sich nicht im Umgang mit bedeutenden Problemen unkontrolliert entlädt. Nicht der Koalition gilt diesbezüglich die Sorge, sondern den Folgen für die Bewältigung der Probleme.
Dr. Benjamin Teutmeyer