Auf Häme musste Julia Schramm nicht lange warten. Eine prominente Piratin, die in einem traditionellen Buchverlag publiziert? Tritt ihre Partei nicht für das freie Zirkulieren geistigen Eigentums und das Überwinden „überkommener Geschäftsmodelle“ im digitalen Zeitalter ein? Geschenkt. Der kolportierte Vorschuss von 100.000 Euro Honorar für die Autorin? Ebenfalls. Denn nach der Veröffentlichung von „Klick mich. Bekenntnisse einer Internetexhibitionistin“ im Knaus-Verlag und den voraussagbaren Verrissen offenbarte sich noch eine zweite Ebene der Debatte. Kurzzeitig kursierte eine kostenlose Download-Version des Titels im Internet, die der Verlag umgehend von den Servern des Anbieters löschen ließ. Ein an sich üblicher Vorgang. Aber wie passt das mit dem Programm der Piraten zusammen, in dem das Ziel formuliert wird, „das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern explizit zu fördern?“
Für Julia Schramm, Beisitzerin im Parteivorstand, steht das Vorgehen des Verlags nicht im Widerspruch zur Linie der Partei: „Ich lehne nicht das Urheberrecht, sondern den Begriff des geistigen Eigentums ab, weil er ein Kampfbegriff ist.“ In einem früheren Interview hatte sie das Prinzip des geistigen Eigentums auch schon mal „ekelhaft“ genannt. Reflexartig fiel der Internet-Mob über Schramm her. „Wasser predigen und Wein trinken“, so oder ähnlich lautete der Tenor der Netzgemeinde.
In der Theorie ist es leicht, über die Reform des Urheberrechts und die daraus resultierenden Folgen für Autoren, Komponisten und Filmemacher zu philosophieren, solange man selbst nicht kreativ wird. Dann freilich scheint ein „überkommenes Geschäftsmodell“ doch gut genug, um Geld zu verdienen.
Außer der Frage der Glaubwürdigkeit legt die Diskussion aber noch ein Problem der Piraten frei. Sie waren mit dem Anspruch angetreten, Themen und nicht Personen in den Mittelpunkt zu stellen. Sie brachten frischen Wind in die deutsche Politik, regten Diskussionen an und zogen in vier Landtage ein. Auf dem vorläufigen Höhepunkt ihrer Popularität erzielte die Partei im ersten Halbjahr 2012 bundesweit zweistellige Umfrageergebnisse. Doch zuletzt begann die Erfolgsstory zu bröckeln. Nicht nur, dass sich viele der Neuabgeordneten als Amateure auf dem parlamentarischen Parkett erwiesen, auch die Tatsache, dass einige (prominente) Mitglieder die Partei anscheinend mehr als Bühne zur Selbstdarstellung denn als politische Plattform nutzen, löst Missmut aus.
Den Piraten kommt das Verdienst zu, die Wahrnehmung für die Möglichkeiten und Risiken der digitalen Welt geschärft zu haben. Doch mit anderen Inhalten fallen sie bislang nicht auf. Die Wähler haben das offenbar registriert. Der Höhenflug wurde abrupt gestoppt und die Umfragewerte sinken, aktuell auf nur noch 6 %. Die Krise der Piraten hat viele Ursachen. Man könnte fast ein Buch darüber schreiben.
Dirk Lichte M.A.