Wir sind wieder wer, nämlich Exportweltmeister, und lassen 2012 beim Handelsüberschuss alle hinter uns, auch die Chinesen. Die Spitzenleistungen unserer Ingenieure sind auf vielen Feldern unübertroffen gewesen. Unternehmer erfahren für ihre Produkte und Services international bestes Renommee. Wir sind eine politische Führungsmacht in Europa. Der Bildungsstandard unseres Landes ist hoch. Auch das soziale Netz ist dicht geknüpft. Wir leben im Wohlstand. Die Bundesligavereine geben wieder den Ton in der „Champions League“ an. Und wir sind ganz gewiss eine Kulturnation, das „Land der Dichter und Denker“. Oder?
Das TV-Programm ruft jedoch leise Zweifel auf. Anregende Kost aus dem wirklichen Leben ist kaum zu sehen. Statt dessen dominieren amerikanische Serien und deutsche Talkshows en Masse, die sich bevorzugt mit Randgruppen, Randfragen und Randproblemen befassen. Die Themen, die das Leben in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft bietet, kommen zu kurz. Dabei hat die Ernüchterung viele Namen: Bei Maybrit Illner, Anne Will, Sandra Maischberger, Frank Plasberg, Günther Jauch und Co. begegnen die ewig selben Anlässe für verquastes Expertengerede und die ewig selben Protagonisten, deren Auftritte weniger auf Erkenntnisgewinn als auf Zielgruppenquoten berechnet sind. Arnulf Baring für die rechten gestrigen Gucker, Heiner Geißler für die Linken mit dem schlechten Gewissen, Norbert Blüm für die Sozialromantiker, Alice Schwarzer für die generell und schnell Enttäuschten sowie Gertrud Höhler für all jene, die es besser wissen und können und die gerne mahnen. Die Gilde der nur vernünftigen Auskunftgeber scheint recht begrenzt. Überraschende Argumente, geschweige denn Zukunftsentwürfe oder gar Lösungen sind kaum zu erwarten, da die Meinungsführer ihre Rollen im Traum beherrschen und jeder auch bei sich und seiner Sache bleibt.
Solange diese Standardgäste unter sich sind, ist die Schwäche der Redaktionen, die solche Alibirunden stereotyp bestücken, noch zu ertragen. Peinlich wird es, wenn in Deutschlands repräsentativster Show „Wetten, dass?“ Stars wie Halle Berry und Tom Hanks mit Barbara Schöneberger und Jutta Speidel zusammensitzen sollen. Hier trifft Weltklasse auf Regionalliga und das Spiel wird erkennbar schlecht. Eine der beiden letztgenannten Damen gibt zum Besten, sie sei beim Dreh zum „Da Vinci Code“ zufällig auf dem Petersplatz in Rom gewesen und unerkannt als Statistin gecastet worden. Die Anekdote macht Anspruch und Gefälle klar. Der Unterschied zieht sich wie ein roter Faden durch: Die fehlende Internationalität zeigt sich im Auftritt und im Text, im Gespür für die mediale Situation und im Format, das dabei zum Ausdruck kommt.
Die Kleingeistigkeit kulminiert in den Preisverleihungen für Film und Fernsehen, wenn sich die Branche bei uns selber feiert. Letzter Höhepunkt: die Rehkitz-Sitzung. Der Sponsor, Hubert Burda Medien, sagt auf seiner Homepage „BAMBI ist Deutschlands wichtigster Medienpreis und ein Symbol für Publikumsgunst, denn mit dieser Auszeichnung ehrt Deutschland seine Stars.“ Wir alle also vergeben die Statuen. Doch jeder, der sie bekommt, bedankt sich bei dem Offenburger Verlag. Die Inszenierung ermüdet mit dieser Dauereloge. Spaß haben die Menschen vielleicht im Saal, während die Millionen an den Bildschirmen vergeblich auf die Übertragung von Geistreichem und Witzigem warten. Wer die Oscar-Preisverleihung im Kopf hat, könnte Kopfschmerzen kriegen. Eine ganz andere Galaxie, bestritten von Entertainern, die wissen, dass bei allem Kommerz die Ideen überzeugen müssen, denen die Akteure dienen. Hier sollten wir noch lernen.
Christina Rothstein M.A.