Auch Berater müssen ihre Leistungen anbieten und „verkaufen“. Fachaufsätze zu schreiben, ist da eine probate Möglichkeit, wobei alles rund um „Steuern sparen“ offenbar besonders gut läuft. Wohl deshalb begegnen mir immer mehr Ausführungen über die angebliche und/oder echte Vorteilhaftig gewisser Gestaltungen. Mitunter scheint es sogar, als lebten manche Publikationen nur noch davon. Die Cash-GmbH, die dank bestimmter Vorteile für unternehmerisches Vermögen helfen soll, Erbschaftsteuer zu sparen, ist so ein Fall, aber es werden auch Randerscheinungen vielfach thematisiert, etwa Familienstiftungen, von denen in Deutschland gerade einmal rund 500 existieren. Es finden sich fast mehr Verlautbarungen über diese Rechtsformexoten als es überhaupt praktische Beispiele gibt. Was mich dabei stört, ist der ausschließliche Blick auf das vergängliche Steuerrecht und die vermeintlichen oder echten Steuervorteile. Betrachten wir das doch einmal hinsichtlich der Familienstiftung, die wir im Kontext der Nachfolgelösung unter anderem bei Reinhold Würth antreffen!
Es kann doch nicht sein, dass bei einer tendenziell auf die Ewigkeit ausgerichteten Familienstiftung nur oder überwiegend das heutige Steuerrecht interessiert, das wir nur als Chaos im beschleunigten Änderungsmodus kennen und fürchten gelernt haben. Einseitige Auslegungen führen hier doch nur in die Irre. Ich vermisse bei den „Spar-Dich-reich-Gurus“ viele zielführende Fragen:
1. Lese ich da etwas über die Menschen, die von der Unternehmernachfolge durch Stiftungen betroffen sind?
2. Lese ich etwas über die Abkömmlinge, die sich nicht ganz selten enteignet fühlen und die für das Vorhaben einer „Familienstiftung“ erst gewonnen werden müssen?
3. Lese ich überhaupt etwas darüber, dass diese Form der Gestaltung zum Unternehmen und zu den Mitgliedern der Unternehmerfamilie passen muss?
4. Lese ich etwas darüber, wie ich die richtigen Protagonisten finde, die das Unternehmen für die Stiftung und durch die Stiftung steuern sollen?
5. Lese ich etwas über die nicht eben profanen Frage der nachhaltigen (!) Erst- und Neubesetzung der Stiftungsorgane?
6. Lese ich etwas über die Zweifel an der Verfassungswidrigkeit des aktuellen Erbschaftsteuerrechts im Zusammenhang mit der Unternehmernachfolge?
7. Lese ich etwas über die Mitwirkung der Stiftungsaufsicht?
8. Lese ich etwas über die erforderliche Flexibilität einer solchen Gestaltung?
9. Lese ich etwas über die betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit spezieller Gestaltungen?
10. Lese ich etwas über die tendenziellen Nachteile, etwa über die Starrheit von Stiftungen?
Nein, ich lese Steuern, Steuern, Steuern! Aktuelles Steuerrecht darf aber doch gerade nie der entscheidende Maßstab für langfristige unternehmerische Entscheidungen sein. Vor allem dann nicht, wenn es um so langfristige Festlegungen wie die Gestaltung einer Unternehmernachfolge geht, und schon gar nicht im Hinblick auf Stiftungsgestaltungen, die grundsätzlich eine Einbahnstraße sind und deshalb in sämtlichen wichtigen Punkten zur Unternehmerfamilie passen müssen.
Warum schreibe ich das? Ich schreibe es, weil ich eine Bitte an Sie, liebe Leser, und an uns alle habe: Nämlich offen zu sein und zu bleiben für die Vor- und auch die Nachteile einer gepriesenen Möglichkeit! Damit meine ich nichts anderes als die gute alte Gesamtbetrachtung, bezogen auf den konkreten Einzelfall. Bei einer Stiftung gilt das für einen außerordentlich langen Zeitraum. Sie ist, wie die Fuggerei in Augsburg zeigt, grundsätzlich für immer angelegt. Das übersteigt die sonst üblichen Planungshorizonte von drei bis fünf Jahren nun doch sehr. Alle Aspekte wirklich adäquat zu würdigen, mag also im Zuge des Tempos und der Tendenz zur Überspezialisierung unserer Tage schwer sein. Unerlässlich ist bleibt trotzdem, es zu versuchen – zumal, wenn es um die Zukunft von Familienunternehmen geht.
Rechtsanwalt Dr. K. Jan Schiffer, SP§P SCHIFFER & PARTNER, Bonn